Youngtimer: Viel Power für wenig Kohle?

Es klingt wie die perfekte Mischung: etwas älteren Datums, manchmal rentnergepflegt, tolle Optik, die nur wenig von den modernen „Seifenstück-Karosserien“ hat und nicht selten ordentlich Leistung – für einen verdammt niedrigen Preis. Doch sind Youngtimer wirklich die Waffe der Wahl fürs schmale Portemonnaie? Wir klären es auf.


Ein wenig Wortklauberei

Dabei wollen wir aber zunächst klären, was ein Youngtimer überhaupt ist und was ihn vom Normalgebrauchten unterscheidet. Gleich da wird es etwas holperig, sooo eindeutig ist die Abtrennung nicht. Fakt ist, es gibt nur eine Alters-Obergrenze. Die magische Dreißig. Ab da sagt der Gesetzgeber, dass es sich um einen Oldtimer handelt – mit sämtlichen süßen Vorteilen, die damit (und dem H-Kennzeichen) möglich werden, wie etwa der auf rund 190 festgelegten Steuer – ohne Ansehen von Hubraum und Motorbauweise.

Okay, aber wie viel jünger darf denn ein Wagen nun sein, um als Youngtimer zu gelten? Da ist sich selbst der ADAC nicht ganz einig, der dafür extra eine Arbeitsgruppe eingerichtet hat. Nur die Szene gibt Auskunft, sie schränkt das Einstiegsdatum zwischen Gebrauchtem und Youngtimer auf 15 bzw. 20 Jahre vor dem heutigen Datum ein. Für diesen Artikel werden wir die goldene Mitte anpeilen. Youngtimer ist alles, was vor dem Jahrtausendwechsel aber nach 1988 gebaut wurde. Für BMW bedeutet das:

  • Dreier: E30, E36 (auch Compact) und frühe E46
  • Fünfer: E34 und E39
  • Sechser: Späte E24
  • Siebener: E32 und E38
  • Achter: E31
  • Z1, Z3 und Z3 Roadster sowie Z8

Eine vollständige Liste aller BMWs, die zwischen ´88 und ´00, gebaut wurden. Allerdings müssen wir Abstriche machen. Denn zum Youngtimer-Sein zählt auch, dass es sich um coole Autos handelt, die aber in der Anschaffung keine Krater ins Bankkonto reißen. Ein Auto mit Charakter, das man aber aufgrund seines Wertes nicht wie ein rohes Ei behandeln muss. Und da dürften wohl die meisten zustimmen, dass wir den Z1, von dem gerade mal 8000 Stück gebaut wurden, herausstreichen. Gleiches gilt für den Z8, der für ziemlich sportliche sechsstellige Beträge gehandelt wird. Am Achter scheiden sich die Geister. Wenn ein BMW den Titel „Cool hoch drei“ verdient, dann er. Und auch am Leistungsgrad, der nur die Wahl zwischen acht und zwölf Töpfen lässt, gibt es keine Zweifel. Einziger Wehrmutstropfen sind die Preise, die bei gepflegten Modellen auch schnell wieder den Gegenwert eines Neuwagens aufrufen – ähnlich wie beim E24.

Nachteile am laufenden Band?

Verdammt viel Charisma haben alle BMWs, die jetzt noch übrig sind. Aber eben auch Nachteile, die einem bewusst sein sollten. Gleich der erste ist der schwerwiegendste fürs Portemonnaie, die Schadstoffklasse.Da haben Youngtimer ziemlich schlechte Karten, denn je niedriger die Klasse ausfällt, desto teurer. Wählt man dann noch ein hubraumstarkes Modell, wird es richtig teuer. 1996er 750i mit dem dicken 5,4 Liter V12? Macht bitte 680 Euro. Und bei einem frühen E34 525tds darf man auch schon die 1000€ anpeilen.

Dann muss man bedenken, dass so manche Youngtimer eine lange Durststrecke als Dritt- oder Viertwagen hinter sich haben. Das wird umso übler, je leistungsstärker der Motor ist. Dann gab es nämlich garantiert genügend Vorbesitzer, die nur auf die PS schielten, sich aber nicht die nötigen Arbeiten leisten konnten. Und schon ist der Wartungsstau länger als die Eintragungsliste bei den Teilnehmern des European Tuning Showdown.

Zudem befinden sich Youngtimer auch noch in einem schwierigen Alter: Bei jüngeren Gebrauchten geben sich die meisten Besitzer noch halbwegs Mühe, den Wagen pfleglich zu behandeln. Ab 15 oder gar 20 Jahren wird jedoch oft nur noch versucht, „die Karre irgendwie über den TÜV zu bekommen“. Rostbläschen, verkratzter Lack, verwohnter Innenraum werden dann egal und sorgen dafür, dass mancher Youngtimer ziemlich traurig dasteht. Bedenkt man dann noch, dass zwischen 1988 und 2000 Begriffe wie Zylinderabschaltung und andere verbrauchseinsparende Maßnahmen noch Zukunftsmusik waren und gerade die leistungsstarken BMWs aus dieser Zeit rüde Trinksitten hatten, sieht der günstige Youngtimer gar nicht mehr so günstig aus, oder etwa doch?

Lust am Auto ohne Reue

Auch wenn das vergangene Kapitel vielleicht mutlos gemacht hat, es ist beileibe nicht so, dass Youngtimer nur Nachteile hätten. Es beginnt damit, dass sie sich ob ihres Alters meist am untersten Ende der Preiskurve befinden – sobald ein Wagen die 30 überschreitet und somit zumindest theoretisch fürs H-Kennzeichen infrage käme, geht der Preis wieder nach oben.

Und diese Preiskurve ist es auch, die einen Youngtimer zur echten Wertanlage macht. Vielleicht bestes Beispiel, der E36, besonders als Coupé. Dessen Zahlen wurden in den 00er-Jahren unter einem Berg aus D&W-Teilen, Hosenträgergurten und Spachtelmasse begraben, weil so viele Führerschein-Neulinge sich ihn kauften und einfach nur misshandelten. Ein unverbasteltes Coupé muss man heute suchen. Wer sowas findet, kann sich sicher sein, dass der Wagen in ein paar Jahren ein Vielfaches seines heutigen Kaufpreises wert sein wird – selbst wenn man gar nichts daran machen würde. Zudem ist die Geschichte der Oldtimer voll von Beweisen dafür, dass selbst das massigste Massenmodell Potenzial zum Kultobjekt hat. 1993 wäre niemand auf die Idee gekommen, im E30 Touring etwas anderes als eine nützliche Familienkutsche zu sehen. Heute hingegen hat der Kombi eine sehr treue Fangemeinde, welche die rassigen Linien schätzen, die so gar nichts von anderen „Pampersbombern“ haben.

Rassig ist auch ein weiteres Stichwort. Nichts gegen aktuelle BMW, die sind auch sexy, aber damals wurde doch noch mit einer schärferen Feder gezeichnet und die Designer hatten wesentlich mehrMitspracherecht. Die ultra-coole Haifisch-Front des E32? Die wurde im Laufe der Jahre zugunsten der Sicherheit ebenso rundgebügelt wie der glasklare Doppelscheinwerfer-Blick des E34.

Und dann ist es beinahe egal, welchen BMW man aus diesem Zeitraum besitzt: Egal um welche Teile es sich handelt, um ganz normale Ersatzteile oder sportliche Nachrüstlösungen, das alles gibt es für viel weniger Geld als bei aktuellen Modellen wie auch den schon H-Würdigen – denn auch hier funktioniert die Preiskurve hervorragend. Das bedeutet also, es ist vergleichsweise einfach und günstig, sich heute für kleines Geld einen Youngtimer mit Wartungsstau zu schießen, ihn in Eigenregie oder beim Mechaniker seines Vertrauens flott zu machen und so ein Zeugnis bayerischer Ingenieurskunst zu fahren, das aus einer Zeit stammt, in der BMW noch die rassigsten Reihensechser unter der Sonne baute und der Preis für einen Liter Super ich zwischen 51 (1988) und 86 Cent (1999) bewegte.

Fazit: Go for it!

Leistung, Zustand und Coolness gibt’s auch bei Youngtimern nicht für schmales Geld. Irgendwo muss man auch hier immer Abstriche machen. Wer einen Youngtimer besitzt, dem muss klar sein, dass er, selbst wenn der Kaufpreis günstig war, zumindest bei der Steuer draufpacken muss. Aber: Gleichzeitig ist das die letzte Gelegenheit, sich Autos zu kaufen, die richtig viel Style haben, gleichzeitig aber noch nicht von der Oldtimer-Welle erfasst und im Preis hochgetrieben wurden. Einen Oldtimer mit H besitzen kann jeder. Aber einen Durstrecken-Youngtimer wieder aufleben lassen und aus ihm ein Objekt der Begierde machen, können nur Leute mit Fingerspitzengefühl und Herz. Und wenn eine Baureihe das verdient, dann die Weiß-Blauen der späten 80er und 90er.

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