Schafft es das E-Auto zum Tuner-Liebling von morgen? Genug Potenzial ist zumindest vorhanden. Denn obwohl der Elektromotor nicht annähernd den Puls in Wallung bringt wie ein kerniger V8-Sound, trumpft der Stromer mit unschlagbaren Gegenargumenten.
Optik & Sound
Das optische Tuning eines Stromers fällt nicht anders als bei jedem Verbrenner aus, bei dem der Wiederverkaufswert eine Rolle spielt: Getönte Scheiben und ein schicker Satz Felgen sind ohne besonderen Aufwand angebracht. Auch auf die Tieferlegung muss nicht verzichtet werden, hier haben sich manche Anbieter schon auf die anlaufende Nachfrage eingerichtet. Breite Reifen werden jedoch eher den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor vorbehalten bleiben, weil die Bodenhaftung sonst gnadenlos die Batterie leersaugt.
In Sachen Sound-Anlage sammelt der Elektromotor die ersten Punkt: Störgeräusche entstehen nur vom Wind und durch die Reifen – das klassische knurren, brummen oder fauchen von Motor und Auspuffanlage kann dem perfekten Konzertfeeling nichts mehr anhaben. Allerdings darf die Anlage nicht viel wiegen und erst recht nicht viel Energie verbrauchen. Dafür greifen die Hersteller tief in die Trickkiste: Bose arbeitet mit Schall-Reflektionen für eine hochwertige Live-Atmosphäre und unterdrückt mit Noise Cancelling die Abrollgeräusche der Räder. Harman-Kadon setzt auf einen 360 Watt starken Sieben-Kanal-Verstärker mit zwölf Boxen und im Auftrag von Elon Musk schuf die relativ unbekannte Firma Sinn aus dem Schwabenland für den Tesla S ein Soundsystem, dem selbst ein Musikproduzent nichts mehr hinzuzufügen hat.
Auch beim äußerlichen Wohlklang sind die Entwickler fleißig am Werk, denn das Geräusch eines Autos wird mit seiner Individualität verbunden. Es beeinflusst unsere Entscheidung, ob wir ein Fahrzeug als qualitativ, sportlich oder lächerlich empfinden. Bisher kreiert jeder Hersteller seine eigene Idee, wie seine Stromer im Sinne der EU-Verordnung „Verbrenner-ähnlich“ klingen sollen. Bereits auf der 41. Motorshow in Essen stellte Brabus einen Tesla-Umbau vor, der wie ein echter V8 röhrte. Weil der authentische Sound jedoch nicht annähernd zufriedenstellend synthetisch erzeugt werden konnte, nahmen die Ingenieure kurzerhand die Sequenzen eines echten V8-Motors für den großen Auftritt auf.
Bremsen
Die Bremsanlage eines Elektroautos darf man als wahre Freude bezeichnen. Denn sie verbrennt die überschüssige Energie nicht einfach als Wärme. Ganz im Gegenteil wird durch die Rekuperation die Geschwindigkeitsreduktion wieder in elektrischen Strom umgewandelt und der Batterie zugeführt. Zudem müssen die Bremsen normalerweise nicht für höhere Leistungen ausgelegt werden. Denn eine Leistungssteigerung ist bei Stromern eher unüblich. Wie der Motor auf das Gaspedal anspricht, wird stattdessen über verschiedene Modi gesteuert. Beispielsweise schaltet Tesla mit „insane“ und „ludicrous“ die volle Leistung frei, das ermöglicht manchen Fahrzeugen eine Beschleunigung von 0 auf 100 in unter drei Sekunden – ohne zusätzliche Tuning-Maßnahmen.
Antriebsstrang
Das E-Auto bringt aus antriebstechnischer Sicht ganz andere Voraussetzungen für das Tuning mit als ein Verbrenner. Was beim Tunen klassischer Benziner und Diesel als hehres Ziel gilt, ist für ein Elektroauto selbstverständlich. Dafür muss sich so manche Erwartung der Kapazität der Batterie unterordnen.
Während der Verbrennungsmotor sich entlang der Drehzahlkurve empor zu seinem maximalen Drehmoment hangelt, setzt der Elektromotor fast das vollständige Drehmoment sofort frei, komplett über den üblichen Drehzahlbereich hinweg. Auf diese Weise lässt selbst der kleine Renault Zoe in seiner Wohlfühlzone City und Ampeldschungel einen Porsche ziemlich blöd dastehen. Der sportliche Fahrspaß ist beim E-Auto also von Werk aus schon garantiert, auch bei den ganz kleinen.
Die Batterie ist die Achilles-Ferse der Elektromobilität und das Totschlagargument Nummer eins, das gegen ein E-Auto spricht. Denn jedes Manöver, das von einem soliden Fahrstil abweicht, verschlingt zusätzliche Energie. Allein schon ihr hohes Gewicht, das für eine annehmbare Reichweite nicht diskutabel ist, kostet wertvolle Elektronen. Und schon steht man wieder an der Ladestation und überlegt sich, ob es das wert war. In diesem Bereich dürfen wir schon gespannt sein, was die nahe Zukunft bringt. Denn dieser stark umkämpfte Sektor läuft auf Hochtouren: Geringe Produktionskosten, hohe Leistungsdichte und möglichst keine seltenen Rohstoffe verbauen – wer das leistet, kann sich gegen seine Mitstreiter behaupten.
Fazit
Tuning steht für die Freiheit das Auto von der Stange in die persönliche Vorstellung von der perfekten Karre zu verwandeln. Wer bei seinem Fahrzeug jedes Schräubchen kennt, mit Stolz nach Motoröl stinkt und beim Lauschen des ultimativen Sounds heimlich ein Tränchen abdrückt, für den wird das E-Auto wahrscheinlich noch lange ein drolliger Abklatsch bleiben. Bist du ein Verehrer des willigen Drehmoments, dann wird dich das Elektroauto nicht mehr aus den Fängen lassen – natürlich staatlich gefördert.
Moment mal, gefördert? Ganz genau: Die Regierung zahlt dir einen Bonus, wenn du dich bei einem Neuwagen für ein E-Auto entscheidest. Falls bei dir das Thema gerade aktuell ist, dann findest du hier weitere Infos zur staatlichen Förderung.